Hidden :: Display

Maria Anwander und Ruben Aubrecht, Bernhard Kathan, Bernd Oppl, Steinbrener/Dempf & Huber

Ausstellungsansicht. Foto: WEST.Fotostudio

Hidden :: Display
Maria Anwander und Ruben Aubrecht
Bernhard Kathan
Bernd Oppl
Steinbrener/Dempf & Huber

kuratiert von Ingeborg Erhart

Hidden :: Display hinterfragt Strategien des Zeigens. Das Thema des Ausstellens ist besonders ambivalent, wenn es sich bei dem Gezeigten um Werke/Inhalte dreht, bei denen Absenz, Löschungen und Auslassungen im Zentrum stehen. Institutionskritik, das Verhältnis zwischen Werk, Setting und Betrachter_innen, großformatige Dioramen, die dem Verschwinden überladen entgegentreten, sowie Produkte der Stille stehen zur Debatte.

„Die Kunst unserer Zeit ist voll von lärmenden Aufrufen zur Stille.“ Mit diesem Zitat der Autorin und Kulturkritikerin Susan Sontag leitet Bernhard Kathan seinen Essay Stille, Innsbruck 2012, ein. Seit vielen Jahren betreibt er in Fraxern, Vorarlberg, ein Hidden Museum. Dort hat er im selben Jahr potentiellen Besucher_innen vier Wochen lang die Möglichkeit geboten, sich alleine mit Nichts und Stille auseinanderzusetzen. Trotz Inseratschaltungen und positivem Feedback, wie „Ich möchte auch Ruhe haben, nichts mehr hören.“, folgte niemand der Einladung und Bernhard Kathan nahm für den gesamten Projektzeitraum alleine die Rolle des Rezipienten ein, setzte sich der Stille aus, bekam davon paradoxer Weise Ohrenschmerzen. Als „Nebenprodukt“ dieser (Un)Tätigkeit sind 12 Blätter entstanden, auf denen er grafisch Kafkas Erzählung Der Bau so stark verdichtet hat, dass nur noch vereinzelte Buchstaben aufblitzen. Assoziationen mit Ultraschallbildern oder nächtlichen Sternenhimmeln machen die Ambivalenz des Themas deutlich. Die verbliebenen Schriftzeichen bilden meist Zischlaute. Wer weiß, dass Der Bau mit dem nicht näher definierten Tier als Protagonisten, das in seinem festungsartigen Höhlensystem durch unerklärliche Geräusche völlig außer sich gerät, den Grafiken zugrunde liegt, verspürt vielleicht auch Unbehagen ob des Gefühls der Unentrinnbarkeit. Eines der wenigen lesbaren Textfragmente lautet: „Tiefe Stille: wie schön es hier ist“. Eine Versöhnung? Sorgt Stille dafür, dass Dinge „offen“ bleiben? Offen für individuelle Assoziationen. Trifft man auf die „Gespenster der eigenen Erwartungen“[1]?. Für die Ausstellung Hidden :: Display hat Bernhard Kathan den Text Nichts und Stille. Arbeiten mit Leerstellen verfasst, der zur freien Entnahme als handliche Kleinpublikation aufliegt.

Steinbrener / Dempf & Hubers Dioramen scheinen in ihrer Opulenz einen Kontrapunkt zu Kathans (Selbst)Versuchsanordnung zu setzen. Selbstverständlich muss jemand oder etwas erst in Erscheinung getreten sein, um verschwinden zu können. Das Verhältnis von Natur und Kultur auszuloten ist das Kernthema des Künstlertrios und das Verschwinden von Fauna und Flora durch Baumaßnahen wie beispielsweise Flussregulierungen wird in den guckkastenartigen, mehrschichtig arrangierten Collagen verhandelt. Die als Diptychon konzipierte Arbeit San Francisco 1 und 2 hat drei Schichten, die als Erzählebenen ineinander greifen: ein Luftbild aus den 1930er Jahren, das die Docks und Down Town von San Francisco zeigt, historisches Kartenmaterial des noch unregulierten Mississippi und „naturgetreue“ Abbildungen von Schlangen aus dem handcolorierten Thesaurus Das Naturalienkabinett von Albertus Seba aus dem 18. Jahrhundert. Neben der Verdrängung der Naturlandschaft durch die Zivilisation geht es auch darum Ansichten und Darstellungen der Welt zu hinterfragen. In das Naturbild mischen sich Fiktionales und Mythisches. Ob es wohl jemals längsgestreifte Schlangen gab? Wo frühe naturkundliche (Er)Forschungen Lücken aufwiesen, bildeten andere Quellen oder sogar die Fantasie das Füllmaterial. Verdichtung ist eine Strategie, die Steinbrener / Dempf und Huber von Beginn ihrer Zusammenarbeit an verfolgen. Ihr Projekt Delete! befreite 2005 vermeintlich einen ganzen Wiener Straßenzug von jeglicher Beschriftung. Durch die signalgelben Abdeckungen wurde die Masse an schriftlichen Informationen aber nicht gelöscht, sondern überdeutlich.

Als eine Reaktion auf die Bilderflut, der unsere Informationsgesellschaft ausgesetzt ist, könnten auch die Arbeiten von Maria Anwander und Ruben Aubrecht gelesen werden. Fragen nach Autor_innenschaft und Verwertungslogiken spielen ebenso mit herein wie Strategien der Aneignung. Bildagenturen produzieren auf Vorrat sogenannte Stockfotos, die erworben werden können, um die unterschiedlichsten Inhalte visuell zu transportieren. Unter dem Titel Stockfotos ist eine Serie entstanden zu der auch die Fotoarbeit Captivated by a Masterpiece (gettyimages) gehört, für die das Künstler_innenduo ein Foto, das zwei Kunstbetrachterinnen zeigt, so lange mit Filtern überarbeitet, bis das Motiv und das Logo der Bildagentur, das die lizenzfreie Verwendung unmöglich macht, nicht mehr zu sehen war. Ironischer Weise sind die so entstandenen Werke von Anwander und Aubrecht als verschwommen-abstrakte Bilder ästhetisch ansprechend. Image Courtesy ist der Titel einer Arbeit, die in zwei Varianten in der Ausstellung vertreten ist. Auf transparentem Textilmaterial aufgedruckt ist ein ©-Schutzmotiv, das das dahinterliegende Bild durchstreicht und mit dem Icon einer Fotokamera auf die Verwertungsrechte hinweist. Dadurch, dass zudem „Image Courtesy Maria Anwander und Ruben Aubrecht“ draufsteht, eignen sich die Künstler_innen alles an, was hinter dem Vorhang sichtbar ist. Bedeutet es, da dasselbe Sujet mittels Klebefolie auf die Schaufensterscheibe der Galerie affichiert ist, dass Anwander und Aubrecht Ansprüche auf den gesamten Galerieraum und womöglich auch noch die Personen, die ein und ausgehen, erheben?

 Bernd Oppls Screening Room reflektiert ein mittlerweile klassisch gewordenes Ausstellungssetting. Ein schwarzer Guckkasten zeigt einen ebenso in schwarz gehaltenen Raum, in dem sich nichts als eine im 3D-Druckverfahren erzeugte schlichte Bank vor einer Bild-beziehungsweise Projektionsfläche befindet. Die Betrachter_innen sind gezwungen ganz nah an das Objekt heranzutreten, um die Situation in dem Miniaturausstellungsraum erfassen zu können. Wenige Sekunden später erscheinen sie selbst auf dem Display des Screening Rooms, der gleichzeitig auch die Neue Galerie observiert. Bernd Oppl schafft Werke, die weit über reine „Sehmaschinen“, also optische Apparaturen, die Wahrnehmung als Visualprimat reflektieren, und Fragen des Zeigens im Sinne des Verhältnisses Werk/Display/ Rezipient_in/Institution hinausgehen. Der Körper wird genauso wie die mögliche Emotionalität der Betrachter_innen mit einbezogen. Wissend um die Strategien von Filmemacher_innen, wie durch visuelle Trigger Emotionen ausgelöst oder verstärkt werden können, bietet Bernd Oppl Settings ohne Dramaturgie an, die offen sind für Stimmungslagen. Im Screening Room ist es besonders deutlich: Man ist auf sich selbst zurückgeworfen.

 

Ingeborg Erhart

[1] Bernhard Kathan bezieht sich in Stille erneut auf Susan Sontag, S. 95

 

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Kuratiert von:
Ingeborg Erhart