THE DUST

Tianzhuo Chen, kuratiert von Petra Poelzl

Ausstellungsansicht, Tianzhuo Chen, THE DUST, Kunstpavillon, 2022. Foto: Daniel Jarosch
Once upon a time, I, Zhuangzi, dreamt I was a butterfly, fluttering hither
and thither, a veritable butterfly, enjoying itself to the full of its bent, and
not knowing it was Zhuangzi. Suddenly I awoke, and came to myself, the
veritable Zhuangzi. Now I do not know whether it was then I dreamt I
was a butterfly, or whether I am now a butterfly dreaming I am a man.
Between the butterfly and me there must be a difference. This is an
instance of transformation.
Zhuangzi (Philosoph und Dichter, 4. Jhd. v. Chr.)
in Wu, Kuang-Ming: The Butterfly as Companion: Meditations on the First Three Chapters of the Chuang Tzu, State University of New York Press (1990)

TIANZHUO CHEN ist einer der aufregendsten und provokantesten Vertreter der jungen Kunstszene in China. Gekonnt changiert er zwischen Tanz, Performance, Musik, bildender Kunst, Internet, Clubund Popkultur. Seine immersiven und performativen Installationen stellen Glaubenssysteme in der Post-Internet-Ära in Frage und werden von Kreaturen belebt, die sich in einem ständigen Zustand der Transformation zu befinden scheinen, einem Dazwischen. Chen’s künstlerische Praxis zielt darauf ab Zustände, anstelle von Narrationen zu erschaffen. Mit The Dust entsteht ein durch den Kunstpavillon mäandernder Erfahrungsraum: Wummernde Soundflächen, flammende Bildwelten, terrestrische Materialien und ein riesengroßes Herz, aus dem ein lächelnder Wurm hervorspringt. Eine campy Bricolage, durchzogen von fragmentierten Symbolismen, angesiedelt zwischen spiritueller und virtueller Realität, halluzinierendem Rausch, dem verstörenden Kaleidoskop digitaler Bilderfluten, Konsumismus und Transzendenz.

Der von Byung-Chul Han geprägte Begriff der Hyperkulturalität scheint ein stimmiger Terminus im Kontext von Chen’s künstlerischer Arbeitsweise. Han beschreibt eine hypertextuell komponierte Welt, die aus zahlreichen Fenstern (im Sinne von wählbaren Möglichkeiten) besteht, in denen keines der Fenster einen absoluten Horizont eröffnet.

Was der Kulturwissenschaftler als windowing bezeichnet, meint das Gleiten von einem Fenster zum anderen, von einer Möglichkeit zur nächsten. Aus dieser Überlagerung und Durchdringung kultureller Räume resultiert auch ein Wandel von Religion und Kunst. Der Horizont zerfällt und führt zu einem hyperkulturellen Nebeneinander unterschiedlicher Glaubenssysteme, aus denen eine neue Religion entstehen kann und aus der sich die Kunst ihrer Farben und Formen bedient. An dieser Art von Patchwork setzt auch die künstlerische Praxis Tianzhuo Chens an, der zweifelsohne ein Kind des Internets ist. Er assoziiert frei zwischen den Browser-Tabs seines Gehirns, macht sich den Akt des windowings zu Nutze und verwendetndas Online-Material als Klebstoff, das es ihm ermöglicht, zeitgeistige Gottheiten und Relikte zu formen.

TIANZHUO CHEN studierte Kunst und Design in London und lebt und arbeitet derzeit in Peking. Der Künstler nutzt seine umfassende
Kenntnis von religiöser Symbolik, urbaner Subkultur, Popkultur und Tanz zur Herstellung atmosphärischer Rituale, innerhalb derer die Teilnehmer:innen in einen transzendentalen Zustand des Wahnsinns gelangen sollen. Er ist auf der London Fashion Week ebenso gern gesehen wie im Berliner Berghain. Zu den jüngsten Einzelausstellungen gehören The Dust (Dark Mofo, Hobart, Tasmenia, 2021/transmediale Berlin 2022), The Shepherd (Kyoto Experiment, Kyoto, Japan, 2022), Trance (M Woods Museum, Peking, 2019), Ghost (Kunsthalle Winterthur, Winterthur, 2017), Ishvara (Long March Space, Beijing, 2016) und Tianzhuo Chen (Palais de Tokyo, Paris, 2015). Zu seinen jüngsten Theaterarbeiten gehören Trance (Kampnagel Hamburg, Hamburg, 2022), An Atypical Brain Damage (steirischer herbst, Graz, 2018 u.a.) und Ishvara (Wiener Festwochen, Wien, 2017 u.a.). Im Jahr 2023 wird Trance an der Komischen Oper Berlin zu
sehen sein. http://tianzhuochen.com, Instagram: asian_dope_boys

Ausstellungsfolder

The Dust ist Teil der von Petra Poelzl kuratierten Ausstellungsreihe Dancing at the Edge of the World.

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ERÖFFNUNG
Samstag | 11.06.2022 | 19.00

KUNSTPAVILLON
15.06.2022 – 23.07.2022