DASCHNER
Katharina Daschner

Ausstellungen, Raumchoreografien, Filme und Bühnenperformances von Katrina Daschner verhandeln Lust- und Machtprozesse sowie Blickregime und stellen tradierte Geschlechterstereotype infrage.
Kunstpavillon, Innsbruck, Kleiner Hofgarten: BesucherInnen des 1842 als Teesalon erbauten und 1951 zur Oberlichtgalerie adaptierten Gartenpavillons gelangen normalerweise von der Terrasse direkt in den Ausstellungsraum. Daschner grenzte den Vorraum mit Garderobe und Toiletten vom eigentlichen Ort des Geschehens ab. Man gelangte durch eine Türöffnung mit Vorhang dorthin und betrat eine Bühne. Stage (Material: Las Vegas) war eine monumentale, aus zwei glitzernden Lamettavorhängen bestehende Installation, die den Ausstellungs- auch zum Bühnenraum machte und die Kubatur des Kunstpavillons maßgeblich zu verändern schien. Sechs von der Künstlerin handgefertigte Stickbilder, die wie Storyboards oder technische Zeichnungen für Bühnenarchitekturen zu lesen sind und im Entwicklungsprozess parallel zu den Film-arbeiten entstanden, wurden hier präsentiert. Der Vorhang hebt sich (Las Vegas #2, 2015), das Licht geht an (Lichtstrahl, 2012, und Light curve, 2015), die DarstellerInnen werden positioniert (Bertha, 2012) und der Vorhang fällt (Final curtain, 2015). Der Auftritt endet, wo er begonnen hat: Backstage (Panele, 2015). Um in den abgedunkelten Kinoraum zu gelangen, musste man ein zweites Mal einen Lamettavorhang durchschreiten.
Seit 2012 arbeitet Daschner an einer neunteiligen filmischen Serie, die auf Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ basiert. Drei der Arbeiten, die einmal in der Zusammenschau eine filmische Oper ergeben werden, waren bereits fertiggestellt. Parole Rosette (2012) und Powder Placenta (2015) gelangten im Kunstpavillon zur Aufführung. Ein silbriger Fadenvorhang hebt sich, im Spotlight stehende, in hellblau-silbrige Ganzkörperanzüge gehüllte menschliche Gestalten, von deren Köpfen nabelschnurartige Schläuche ausgehen, sind zu sehen. Cut. Eine idyllische an Arkadien gemahnende Landschaft, eine illusionistische Wandmalerei erscheint und Vogelgezwitscher setzt ein. Hellgraues Fell bewegt sich im entspannten Atemrhythmus und eine schlafende Person in einem vegetabilen Kostüm befindet sich an einem friktions-freien Ort der Glücksseligkeit. Wölfe schlafen und trotten gemütlich dahin. Erwachende mit unschuldig-erstaunten Blicken lächeln und die pralle, gemalte Landschaft zeigt Vögel, Früchte, Knospen und Blüten. Die DarstellerInnen streicheln an Sexspielzeug erinnernde Skulpturen und geben Blicke auf geschmückte Brüste und Genitalien frei. Die Harmonie, die über den Szenen liegt, ist kein stabiler Zustand, sondern ein Dazwischen. Die Menschen, Tiere und Pflanzen scheinen an einem Ort zu sein, an dem eine Differenzierung in Klassen, Arten, Rassen und Geschlechter noch nicht stattgefunden hat. Nichts ist kategorisierbar und alles in der Schwebe. Trotzdem geht von dieser Unsicherheit keine Bedrohung aus. Die Medien Bühne und Film sind per se instabil und erlauben dadurch einen produktiven Dialog zwischen den verschiedensten Ebenen. Die Wandmalereien, die in Powder Placenta eine wesentliche Rolle spielen, befinden sich im niederösterreichischen Schloss Harmannsdorf in der Sala Terrena eines ehemaligen Getreidespeichers, in der bereits seit dem Barock Aufführungen stattfinden und wo auch Bertha von Suttner Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts Theater spielte. Daschner, die Theaterräume immer auch in Bezug auf Hierarchien, das Verhältnis zum Publikum und die Blickregime interessieren, fand hier für die paradiesischen Szenen von Powder Placenta einen idealen, nicht auf eine frontale Schaubühne gerichteten Aufführungsort vor, der zudem die Schnittstelle zur Natur thematisiert bzw. diese zur Kulisse macht.
Im spektakulären Zuschauerraum des Teatro Regio in Turin verhält sich das völlig anders. Der Fokus liegt auf der Guckkastenbühne, außer wenn die Lichter angehen: Dann regieren der rote Plüsch der Sitze und die glamouröse Deckenlandschaft mit dem bombastischen, aus unzähligen Stableuchten bestehenden Luster. Details aus diesem Theater aus dem 18. Jahrhundert, das von Carlo Mollino nach einem Brand neu inszeniert und 1973 wiedereröffnet wurde, werden im Film Parole Rosette mit Sequenzen einer streng choreografiert aufmarschierenden queeren Truppe verschnitten. Trotz der amazonenhaften und skulpturalen Uniformierung behält jede Person ihre Individualität. Mechanisch spulen sie ihre Gruppenchoreografie ab und folgen der Regieanweisung: „No romance!“ In den Close-ups von Sitzen und der Decke scheint mehr Emotionalität zu liegen als in den Gesichtern der PerformerInnen. Für Katrina Daschner sind Objekte, Kulisse und Bühne gleichermaßen Subjekte wie Menschen. Hierarchiefrei werden alle Ebenen miteinander verschränkt und sprechen durch das filmische Stilmittel der Montage miteinander. Der lüsterne Luster macht die Lust der DarstellerInnen deutlich – genauso, wie die ungeklärte Genderebene in Powder Placenta eine Parallele im ungerichteten Theatersaal des Schlosses Harmannsdorf findet, in dem es keinen ausgewiesenen Publikumssektor gibt. Die nicht lineare Erzählweise und die Positionswechsel der ProtagonistInnen in den Filmen wurden in Daschners Soloschau durch die Dramaturgie des Raums und das Einbinden der BesucherInnen in dieselbe verstärkt. Wie viel individuelle Wahrheit enthalten Traumwelten, die den Blick auf ungeahnte oder zumindest unausgesprochene Bedürfnisse und Begierden lenken …
An Schnitzlers Traumnovelle interessierten Katrina Daschner neben der hohen Visualität des Textes von fast filmischer Qualität die Uneindeutigkeit von Traum und Wirklichkeit, der Zwischenbereich von Realität und Fiktion und dass die innere Wahrnehmung und die der vermeintlich äußeren Welt nicht voneinander zu trennen sind. Das Fluktuieren zwischen Bewusstem und Unbewusstem öffnet unzählige Assoziationsebenen.
Katrina Daschner * in Hamburg, lebt und arbeitet in Wien. 1995-2000 studierte sie an der Akademie der bildenden Künste in Wien (Brigitte Kowanz). 2001/02 betrieb sie die Performance-Plattform Salon Lady Chutney (mit Johanna Kirsch and Stefanie Seibold). Zuletzt hostete sie den queeren Club Burlesque Brutal (2009-14) im brut, Konzerthaus in Wien. www.katrinadaschner.net