Denn der Mensch kann nicht Hund sein. Novelle montage No 1
Maria Peters

Denn der Mensch kann nicht Hund sein
Novelle montage No 1
Maria Peters
In der Ausstellung Denn der Mensch kann nicht Hund sein Novelle montage No 1 montierte Maria Peters Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Text- und Videoarbeiten und Objekte mit Wandtexten zu einer Rauminstallation, die als begehbare Erzählung funktionierte und – ergänzt durch einen Lesebereich und das Buch Denn der Mensch kann nicht Hund sein Novelle montage No 1 – Ausdruck der komplexen und gleichzeitig sehr lustvollen Arbeits- und Denkweise der Künstlerin war.
Für die Bild-Text-Erzählmethode hat die Künstlerin eine eigene Arbeitsweise entwickelt, die es ermöglicht, Raumcollagen in das Medium des Buches zu übersetzen bzw. umgekehrt Inhalte des Buches wieder in den Raum zu transferieren. Ähnlich wie Denkprozesse, die häufig nicht linear verlaufen, ist das Sampeln von Erfahrungen, die auf Reisen, in Diskussionen oder beim Lesen gesammelt wurden, eine Praxis, die sie kultiviert hat und die die RezipientInnen zum Querlesen einlädt oder dazu anregt – um den Begriff, den Maria Peters für diese Arbeitsmethode erfunden hat, zu benutzen –, eine persönliche Novelle montage zu kreieren.
„Diese Geschichte beginnt im Ottoneum, einem kleinen naturhistorischen Museum in Kassel, das mit seinen knarzenden Parkettböden und labyrinthischen Räumen noch den Charme einer Wunderkammer hat“, stand im Eingangsbereich handschriftlich unter einem Gemälde mit dem Titel Balto träumt vom Eismeer geschrieben. Ein Schlittenhund blickt von der Hafenkante auf sich kräuselnde Wellen. Das Bild ist fast ein Seestück im Sinne der Romantik inklusive eines im Untergang befindlichen Schiffes, von dem nur noch die Takelage aus dem Wasser ragt, wäre da nicht die Silhouette einer modernen Stadt.
„Wünsche schleichen sich an wie Raubkatzen. Sie zeigen sich selten direkt, sondern machen sich nach und nach bemerk-bar. Sie äußern sich in Symbolen, ändern unsere Handlungen, führen uns wie von Geisterhand in Situationen oder an Orte, deren Bedeutung sich oft erst später erschließt. Und dann – ganz plötzlich – springen sie uns von hinten an.“ Dieser Hinweis auf eine symbolische Ebene ist zugleich der Klappentext des Buches und beschreibt auch die Herangehensweise von Maria Peters. Auf dem Rundgang erfuhr man einiges über die Lebensbedingungen der Schlittenhunde in Grönland, begegnete Kuriositäten aus dem volkskundlichen Bereich und wie sich das Verhältnis von Mensch und Hund im Laufe der Jahrhunderte verändert hatte. „Kann der heilige Barnabas auch Analphabeten heilen?“, stand neben dem gemalten Bild Hund im Grab des heiligen Barnabas auf Nordzypern. Der Heilige heilte Kranke durch das Auflegen des Matthäusevangeliums.
Wird hier die Denkfaulheit des Volksglaubens aufs Korn genommen? Das auf einem Miniaturmonitor gezeigte Video daneben, das eine mechanisch mit dem Schwanz wedelnde Hundekrippenfigur zeigte, legte das nahe. Das Gemälde Kojote an der Nordsee zitiert malerisch die Videoarbeit I like America and America likes me von Joseph Beuys. Eine Woche lang ließ er sich mit einem Kojoten in einen Käfig sperren. Maria Peters sah die Videoarbeit auf ihrer Deutschlandreise und beschreibt im Buch, wie sehr es sie berührt hatte, mit welcher Vehemenz das Tier um die Gunst von Joseph Beuys – diesem seltsamen, in Filzdecken gehüllten Gegenüber – gebuhlt hatte.
Im hinteren Raum wurden weiter die Themen Sehnsucht und Treue verhandelt. Der heilige Christophorus, hier ein gemaltes Ikonenzitat, wird im südslawischen Raum als Hundsköpfiger dargestellt, als Cynocephalus, der in der Mythologie für den bekehrten Wilden, den gezähmten Heiden steht. Die Künstlerin kombiniert dieses Motiv mit dem platonischen Mythos des einstmals perfekten Kugelmenschen, der von den Göttern in zwei Hälften geteilt wurde. Das Gefühl des Menschen, dass ihm eine Hälfte fehlt, nahm bei Platon hier ihren symbolischen Anfang. In der Arbeit von Maria Peters wurde der Kugelmensch in Mensch und Hund zerteilt. Die Hälften suchen sich, die Bindung zwischen Mensch und Hund wird zur Metapher für die Suche nach einer gelungenen Synthese von Animalischem und Kultur.
Das Ölbild Hund in der Neubauruine und der daneben stehende Wandtext machten deutlich, dass sich der Hund, wenn er zwischen der Gemeinschaft mit Menschen und einem Leben in der Wildnis wählen kann, lieber für die Zivilisation entscheidet. Das Kokettieren des Menschen mit Wildnis und Natürlichkeit wird hier in (auch selbst-)ironischer Weise ad absurdum geführt.An der Schlüsselstelle der Erzählung in der Ausstellung tauchte erneut der Schlittenhund Balto auf. Wieder als – diesmal skulptural gearbeitete – Rückenfigur schaut er auf den zentralen Satz: „Denn der Mensch kann nicht Hund sein.“ Erkenntnisgewinn und Lust auf Kultur stehen also letztlich über der Sehnsucht nach der Wildnis – zumindest in der Vorstellung vom Paradies der Künstlerin. Die untoten Ahnen wachen über das Paradies, das Maria Peters als immerwährender Glückszustand nicht besonders erstrebenswert erscheint: „Vom Baum des Lebens konnten wir nicht mehr kosten. Die Schlange war klug genug, sich ihren Spaß mit uns zu machen: uns nur zur Erkenntnis, nicht aber zum ewigen Leben zu verführen. Doch seis drum. Das Wissen um den Tod macht uns produktiv“ – so produktiv, dass sie mit Gevatter Tod für das Bild Der Tod und das junge Mädchen sogar einen Pakt schloss.
In dem kleinen Studiobereich des Ausstellungsraums stand ein Globus-Objekt. Gemeinsam mit Gunter Bakay hatte die Künstlerin in der Silvesternacht 2013/14 alle Beschriftungen auf dem Globus wegretuschiert. Die Erdkugel, bereinigt und wie noch unerforscht, stand als Objekt vor mit Linol-Intarsien tapezierten Wänden: Druckgrafiken auf Papier, die eine Art analoges „copy and paste“ sind – eine Technik, die es erlaubt, Versatzstücke wie Granatäpfel oder Mariendarstellungen in eine dystopische Urlandschaft einzubetten. Recherchen über eine universal verständliche Sprache füh-ren – zumindest in unserem Kulturkreis – zur Genesis und zum Turmbau zu Babel (Babel = Wirrsal). Als die Menschen begannen, den Turm zu bauen, gab es eine Weltunion: „Alle Menschen hatten die gleiche Sprache und gebrauchten die gleichen Worte.“ Womöglich, weil die Menschen sich angemaßt hatten, den Turm bis in den Himmel zu bauen, schickte Gott ihnen die Sprachverwirrung. Maria Peters, die von einer friedlichen Weltunion träumt, macht sich an einen zweiten Versuch: Ihr babylonischer Turm ist eine instabile Angelegenheit und farblich an Bruegel angelehnt. In dem Bild montiert sie modernistische Elemente mit Szenen, die nicht zufällig an Ground Zero und das Trauma von 9/11 erinnern. Irgendwie hat sich auch die Kon-Tiki ins Bild geschlichen, ein einfaches Floß, das bei einer Expedition in den 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts eingesetzt wurde, um zu beweisen, dass eine Besiedlung Polynesiens von Südamerika aus möglich gewesen war.
Motive wie diese kommen häufig im Werk von Maria Peters vor: jemand bricht auf, um etwas zu erforschen, will das Eismeer malen, das Paradies oder Atlantis finden. Diese Sehnsucht die Welt zu verbessern, macht Menschen erfinderisch und schöpferisch. Diesem Gedankengang folgend trägt jeder mehr oder weniger stark eine Vorstellung vom Paradies in sich – und sei es auch die, auf fortwährendes Jauchzen und Frohlocken verzichten zu wollen und es lieber mit dem Stein des Sisyphos aufzunehmen.
„Der Drang zur Kunst ist einer der positiven Nebeneffekte des Sündenfalls. Denn im himmlischen Paradies gäbe es nichts zu tun.“
Maria Peters *1966 in Tirol, lebt und arbeitet in Innsbruck. Studium der Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien von 1997 bis 2002. Es folgten mehrere Arbeitsaufenthalte im Ausland wie etwa in Nepal, Tibet oder Grönland. https://www.maria-peters.at/
Eröffnung und Buchvorstellung: 29.01.2015, 19.00
Zur Ausstellung spricht: Christoph Hinterhuber, Vorstandsmitglied, Tiroler Künstlerschaft
Buch: Denn der Mensch kann nicht Hund sein, Novelle montage No 1, Maria Peters.